Dienstag, 12. August 2008

Das verlorene "Land des ewigen Lächelns"

Wie jeden Morgen in Thailand mache ich mich als erstes zum 7eleven-Laden auf, um mir einen Kaffee zu holen. Danach setze ich mich an den ersten Stand, dessen Essen mich anlacht. An diesem Morgen ist es erst kurz nach sechs Uhr und ich bestelle mir eine Reissuppe. Während ich auf das Essen warte, rauche ich eine Zigarette und geniesse meinen Kaffee. Ein betrunkener Tourist kommt wankend und barfuss die Strass hinunter. Offensichtlich hat er die ganze Nacht durchgezecht. Er setzt sich zu mir an den Tisch und fängt an vor sich hinzulabbern. Ich sage ihm, dass er wohl besser schlafen geht. Als das nichts hilft um ihn loszuwerden, erkläre ich ihm, dass ich ein Morgenmuffel bin und gerne meine Ruhe hätte. Auch das akzeptiert er nicht und meint, dass ich ihm gefälligst zuhören soll. Er brauche jemanden zum reden, sein Bruder habe sich schliesslich mit einer Knarre ins Gesicht geschossen. In den nächsten fünf Minuten ignoriere ich ihn, worauf er zu einem Pilger am Nebentisch geht. Der sagt ihm aber auch, dass er sein Frühstück in Ruhe geniessen will. Irgend einmal steht der Tourist auf und zottelt davon.

Ich finde es nicht so erstaunlich, wenn die Einheimischen ein schlechtes Bild von uns Touristen bekommen, zumal wenn wir uns so rücksichtlos daneben benehmen. Sie denken bestimmt, dass wir alle so sind. In Pai fallen die Touristen zu hunderten ein, lassen sich biertrinkend ein Tatoo stechen und wenn sie genug haben, ziehen sie weiter. Wen erstaunt es schlussendlich, wenn die Bevölkerung nur noch das Geschäft mit den Touristen sucht. Dünkt es mich nur, oder war das vor 3 Jahren anders? Die Zeiten des "Landes mit dem ewigen Lächeln" sind definitiv vorbei. Vor Geschäftsabschluss sind die Leute freundlich und hilfsbereit. Danach geht es meist nur noch darum die versprochene Leistung auf ein Minimum zu beschränken. Das kann harmlos sein, aber auch ins Auge gehen. Im Thai-Kochkurs, den ich besuchte, war ich an diesem Nachmittag die Einzige. Er sollte bis 22 Uhr dauern. Um 19.30 wird mir eröffnet, dass wir nun fertig seien, obwohl wir noch nicht beim Dessert angelangt waren. Auch das Curry hatten wir nicht selber zubereitet, wie im Hochglanzprospekt versprochen wurde. Nachdem ich auf das Dessert bestehe, verschwindet die Lehrerin in der Küche. Fünf Minuten später erscheint sie wieder. Das Dessert kocht schon fast fertig in der Pfanne. Beim Verspeisen der Köstlichkeit wird mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mich beeilen soll. Die Fensterläden werden geschlossen und alles wird weggeräumt.

Ein anderes Mal liegen die steril verpackten Nadeln für Piercings gut sichtbar im Schaufenster. Sie versichern mir etliche Male, wie sauber sie in diesem Tatooladen arbeiten, obwohl es ziemlich staubig ist und überall geraucht wird. Auch auf den Toiletten sieht es nicht besonders sauber aus. Sobald das Geld überreicht ist, kommen die gebrauchten Nadeln zum Vorschein. Sie bestehen darauf, dass es die gleichen Nadeln sind, wie die steril verpackten. Ich muss sehr beharrlich bleiben um eine sterile Nadel zu bekommen. Auch als er, ohne die Haut zu desinfizieren, loslegen will, muss ich hartnäckig auf sauberes Arbeiten bestehen. Ich stelle mir vor, wie ein Zwanzigjähriger, der halbbetrunken und naiv hier landet, handeln wird. Es kommt so eine Art Euphorie auf, sich hier ein Tatoo machen zu lassen, was dazu führt, dass jede Vorsicht verloren geht. Diese jungen Leute haben keinen blassen Schimmer, welche Krankheiten sie sich auflesen könnten. Alles was der Ladenbesitzer jedoch zu meinem Misstrauen und dem Bestehen auf sauberes Arbeiten sagt ist: "Du musst Vertrauen haben!" - Danke! Das hilft mir viel, wenn ich in ein paar Wochen krank bin.


Oft versuche ich besonders freundlich zu sein, zu lächeln und bemühe mich um ein angepasstes Verhalten, obwohl mir das nicht immer leicht fällt. Ich verzichte z. B. nur ungern auf meine Trägershirts, da es mir für lange Ärmel schlichtweg zu heiss ist. Ich habe aber immer ein Tuch oder eine dünne Baumwollbluse im Rucksack, die ich mir notfalls, z. B. bei einem Tempelbesuch, überziehen könnte. Mit einem unerwarteten Verhalten kann ich die Leute vielleicht manchmal positiv überraschen. Meist werden sie plötzlich auch freundlicher und interssierter. Es haben sich daraus schon amüsante Situationen ergeben. Vielleicht kann so das Bild, das die Leute von den Touristen bekommen haben, ein Stückweit korrigiert werden.


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