Dienstag, 12. August 2008

Trekking zu den Bergvölkern Laos

Auf dem Weg in mein Zimmer spricht mich eine Australierin an und fragt, ob ich folgenden Tag mit ihnen auf einen Dreitagestrek in den Hügeln von Muang Sing ganz an der laotisch-chinesischen Grenze zu den Bergvölkern mitkommen will. Sie seien schon eine Gruppe von sechs Leuten und ich könne gerne mitkommen. Da ich eben erst angekommen bin und noch nicht einmal mein Gepäck nach der langen Busfahrt abgestellt habe, sage ich ihr, dass wir es beim Nachtessen besprechen können. Eigentlich will ich mich erst einmal einen Tag lang umsehen und einwenig ausspannen. Da aber die Touristen in diesem Dorf beinahe an einer Hand abzuzählen sind, muss ich wohl die Gelegenheit ergreifen. Die Chancen eine Gruppe für die nächsten Tage zusammen zu trommeln stehen ganz schlecht. Also packe ich am nächsten Morgen ein paar Sachen in meinen Tagesrucksack, bezahle die umgerechnet 50 Franken für das Trekking und kurze Zeit später sitzen wir alle ganz gespannt in einem Tuktuk.

Nach einer knappen halben Stunde kommen wir in einem Hmongdorf an, von wo es zu Fuss weitergeht. Das erste Stück des Weges führt uns durch die hellgrünen Reisfelder. Immer wieder müssen wir auf wackeligen Holzplanken über die Bewässerungskanäle balancieren. Es vergeht keine halbe Stunde und ich stehe das erste Mal mit meinen Joggingschuhen im Wasser. Naja, was soll es? Ich werde am Ende dieser 3 Tage sowieso vor Schmutz stehen und wahrscheinlich ziemlich nass sein. Mittagspause machen wir in einem Akha-Dorf, das erst vor 10 Jahren von den Bergen dahin gezogen ist. Die Regierung "unterstützte" die Umsiedlung, um sie vom Opiumanbau und -konsum wegzubringen. Heute leben sie vom Gemüse-, Kautschuk-, Reis- und Maisanbau. Die Opiumabhängigkeit verursacht nicht mehr so viel Probleme und die Lebensbedingung haben sich in den letzten Jahren merklich verbessert.

Am Nachmittag geht es dann bergauf, was bei dieser Luftfeuchtigkeit sehr schweisstreibend ist. Nach zwei Stunden erreichen wir ein weiteres Akha-Dorf, wo wir wie die Leute in einfachen Bambushütten auf Stelzen am Boden übernachten. In der Küche gibt es eine Feuerstelle am Boden, wo unser Essen gekocht wird. Um uns zu waschen, müssen wir zirka zehn Minuten gehen, um ausserhalb des Dorfes an ein Wasserloch zu gelangen. Ein Brunnen im Dorf zu haben, ist fast schon ein Luxus. Nach dem Nachtessen bekommen wir von den Dorffrauen eine Massage. So können sie ihr Einkommen aufbessern. Danach ist kurz nach acht Uhr Nachtruhe.

Der Tag in Laos beginnt schon kurz nach fünf Uhr. Wir wickeln uns aber noch einmal in die Wolldecke ein und dösen einwenig weiter, während es draussen schon geschäftig zu und her geht. Nachdem wir uns dann auch langsam von unserem Nachtlager erhoben haben, beobachten wir bis zum Frühstück das bunte Treiben im Dorf. Die Schweine graben die schlammige Erde um, die Hühner verirren sich ab und zu in die Küche, die Frauen mahlen mit Steinen Getreide, Babies werden beschwichtigt und die Schulkinder setzen sich zu uns, um uns neugierig zu beobachten. Zum Teil lernen sie einwenig Englisch in der Schule. Später erfahre ich, dass das Schulsystem nicht besonders effizient ist. Während der drei Monate Regenzeit sind Ferien, damit die Lehrer ihre Felder bestellen können. Von ihrem Monatsgehalt von ungefähr 50 Fr. können sie alleine nicht leben und sind somit auf Selbstversorgung angewiesen. Die Kinder müssen während den Ferien ihren Eltern helfen. In den ersten beiden Wochen nach Schulbeginn wird dann das ganze Schulhaus geputzt und das Gras um das Schulgebäude geschnitten, was als Schulunterricht durchgeht. Allgemein hat Schulbildung einen geringen Stellenwert in Laos. Die Lehrer unterrichten zwar Englisch, aber ihr Wissen ist oft kleiner als dasjenige eines Schülers bei uns nach einem Jahr Englischunterricht.

Kurz darauf brechen wir auf. Vor uns liegen fünf Stunden Fussmarsch durch dichten Regenwald. Es geht bergauf und bergab. Mittagsrast halten wir an einer Waldlichtung. Dazu wird eine Decke ausgebreitet, die Säckchen mit dem gekochten Reis werden verteilt und Gurken, Rühreier und frittierte Schweinehaut aufgetischt. Bis zum Abend sehen wir höchstens noch ein paar Jäger die Eichhörnchen oder andere kleine Tiere jagen. Auffallend ist, wie wenig Tiere, abgesehen von den Insekten, wir sehen. Nicht einmal Vögel hören wir. Die meisten Tiere sind wohl den Flinten zum Opfer gefallen. Die Kost in Laos erinnert sehr an eine Jäger- und Sammler-Kultur. Die Essenskultur ist niemals so ausgefeilt wie in Thailand oder Japan, wo die verschiedenen Geschmacksrichtungen sehr fein aufeinander abgestimmt sind. In Laos wird der Magen mit Reis gefüllt. Dies ist ein glutenreicher Klebreis, der zu kleinen Bällchen geformt wird und dann in die verschiedenen Saucen und Fleischgerichte getunckt wird. Dazu werden verschiedene Kräuter und Gewürze gereicht. Als Snack knabbert man an Samen und Früchten. In den Restaurants für die Langnasen bekommt man aber auch immer die populärsten Gerichte aus Thailand, Italien, Indien oder Amerika, wobei ich nur die Thaigerichte beurteilen kann. Eine Ausnahme bilden wohl die sehr beliebten indischen Restaurants, die auch von Indern geführt werden. Eine grosse Liebe entwickle ich zum Laoskaffee, den man auf der Strasse oder an Busbahnhöfen bekommt. Schon bald verweigere ich den „Langnasenkaffee“ (Instant- oder Schwachstromfilterkaffee), den man in den Restaurants bekommt. Die Röstung ist beim Laoskaffee anders als bei unserem Kaffee. Er hat einen leicht süsslichen, nach Kakao schmeckenden, milden Geschmack.

Am dritten Tag regnet es dann öfters. Der sehr schmale Pfad verwandelt sich in eine schlammige Rutschpiste. Unter uns tut sich immer wieder der Abgrund auf. Zu allem Übel müssen wir auch noch den Kampf mit den Blutegeln aufnehmen. An einem Fluss untersuchen wir dann unsere Schuhe, Socken und Kleider genauestens um all diese ekligen Dinger aufzuspüren. Als wir am Nachmittag müde und schmutzig im Dorf ankommen, wo wir wieder abgeholt werden, atmen alle erleichtert auf.

In diesen drei Tagen sind wir an keinem einzigen Geschäft vorbeigekommen, geschweige denn an einer Apotheke. Mit dem Gesundheitssystem steht es in Laos nicht zum Besten. In den Apotheken werden Medikamentekopien mit zweifelhaften Inhaltsstoffen oder abgelaufene Medikamente aus dem Westen verkauft. Es gibt nur ein etwas besseres Krankenhaus in der Hauptstadt. Den Reisenden wird eindringlich empfohlen bei Anzeichen von Fieber oder irgendwelchen ernsthaften Erkrankungen sofort nach Thailand auszureisen und sich da behandeln zu lassen, wo das Gesundheitssystem fortschrittlich ist. Ein Freund, der momentan in Vientiane lebt, rät mir sehr eindringlich von Huhn oder Ente ab und empfiehlt mir nur Eier zu essen, wenn sie gut gekocht sind. Seine Frau arbeitet für die Unicef und hat momentan ein Mandat beim Gesundheitsministerium in Laos um einen Plan zur Epidemienbekämpfung auszuarbeiten. Ausbrüche von Vogelgrippe in Laos werden nicht publik gemacht, kommen aber häufig vor. Laos ist ein sozialistisches Land mit Beschränkungen der Meinungsfreiheit. Auch Denguefieber ist laut diesem Freund weit verbreitet. Leute würden immer wieder daran sterben, da sie zu spät ins Krankenhaus gingen. Wenn ich aber die Laoten frage, ob Denguefieber häufig vorkomme, sagen mir alle: "Oh nein, in Laos gibt es kein Denguefieber". Wenn es aber im Nachbarland Kambodscha diesen Sommer in gewissen Gebieten fast seuchenartige Ausmasse annahm, wie kommt es, dass es in Laos nicht vorkommen soll?

Wie ihr unschwer erkennen könnt, gehört Laos wohl zu den ärmsten Ländern dieser Welt. Nichtsdestotrotz gehören die Leute aber zu den freundlichsten und ehrlichsten. Wenn die Laoten etwas sagen, dann ist es zumeist so. Beim handeln kämpfen sie nicht um jeden Rappen und geben schnell nach, wenn man zwei Sekunden überlegt und nichts sagt. Ein Sprichwort sagt: „Die Thailänder pflanzen den Reis, die Vietnamesen schauen dem Reis zu, wie er wächst und die Laoten hören zu, wie er wächst“.

Keine Kommentare: