Dienstag, 12. August 2008

Mahmoud Jabari - Ein ganz erstaunlicher junger Mann

Auf einer Party in Hebron komme ich mit dem sechzehnjährigen Mahmoud ins Gespräch. Er erzählt mir, dass er Journalist und Fotograf werden will. Kugelschreiber und Kamera seien seine Waffen gegen die Besatzung und das Unrecht, das in Palästina geschehe.

Ein paar Wochen später bekomme ich die Gelegenheit mich eingehender mit ihm zu unterhalten. Seine Karriere weist schon ein paar ganz erstaunliche Meilensteine auf: Er wurde ins Kinderparlament von Hebron gewählt und führte, um Kinderbürgermeister in Hebron zu werden, das erste Mal einen richtigen Wahlkampf mit eigenem Programm. Er hat einen friedlichen Demonstrationszug für palästinensische Jugendliche mit Kerzen organisiert, damit sie ihre Wut über die vielen Toten an einem Wochenende im Gazastreifen ausdrücken konnten. Dafür erhielt er einige Beachtung in der Westbank und im Gazastreifen. Ende März nahm er an einem Teamleadergipfel als Vertreter für Palästina in New York teil. Dies ist ein Wettbewerb für Jugendliche aus der ganzen Welt, die ihrer Gesellschaft einen besonderen Dienst erweisen.

Die ersten zehn Lebensjahre verbrachte Mahmoud im israelisch verwalteten Stadtteil von Hebron. Er kann sich noch gut an die Schiessereien, das Auffahren der Panzer und die Ausgangssperren nach dem Ausbruch der zweiten Intifada erinnern: „Einmal wurde mein Vater, als er sich nicht an die Ausgangssperre gehalten hatte, von israelischen Soldaten verprügelt. Sie haben ihm seine Fahrlehrerlizenz weggenommen, zerrissen und in den Schmutz geworfen.“ Zu dieser Zeit habe er angefangen alles zu lesen, was ihm in die Finger gekommen sei. Abgeklärt meint er: „Plötzlich hatte ich ein Ziel vor Augen. Ich will Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen und ein positives Vorbild für mein Volk werden.“

Letzten Sommer nahm Mahmoud am Sommerlager „Seeds of Peace“ teil, wo israelische und palästinensische Jugendliche sich austauschen können. „Das Camp war ein Wendepunkt in meinem Leben“, sagt Mahmoud. „Ich habe israelische Freunde gefunden, unter anderem ein sehr religiöser Israeli aus Jerusalem. Ich habe realisiert, dass die Israelis auch nur Menschen sind.“ Alle seine neuen Freunde verfolgten das gleiche Ziel, sie wollten Frieden und ein Ende des Blutvergiessens. Rückblickend meint Mahmoud: “Für mich war die erste Woche im Camp eine schwierige Erfahrung. Ich hätte es am liebsten vorzeitig verlassen, da mein Weltbild durcheinander geriet. Für eine Woche zweifelte ich sehr an meiner Meinung.“ Er hat jedoch durchgehalten. Durch die Diskussionen habe er gemerkt, dass man der anderen Seite zuhören und versuchen müsse ihre Argumente zu verstehen und zu respektieren. Er habe viel über konstruktive Problemlösung gelernt. Mahmoud zieht für sich den Schluss, dass beide Seiten durch die Lösung gewinnen müssen. Bedauernd meint er jedoch: „Ein grosses Problem beim Friedensprozess ist jedoch, dass die Palästinenser nicht die gleichen Rechte wie die Israelis haben.“

Auf die Frage, was ein durchschnittlicher palästinensischer Jugendliche über den Konflikt denke, meint Mahmoud: „Viele Altersgenossen haben kein Interesse an der Politik. Sie interessieren sich vor allem für Mobiltelefone und Vergnügungen“. Weiter sagt er: „Ich möchte ihr Bewusstsein schärfen und ihnen Mut machen, positiv auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen. In der Jugend liegt die Energie und Fähigkeit etwas Neues zu kreieren. Die Jugendlichen müssen sich ihrer Fähigkeiten bewusst werden und lernen, wie sie sich für die Gesellschaft und ihre eigenen Interessen einsetzen können.“ Für ihn bedeute Glück, dass man Wünsche und Ziele für die Zukunft habe, die man verfolgen könne. Man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben. „Für mich ist es wichtig, ehrlich gegenüber mir selber zu bleiben.“ Jugendlichen in anderen Ländern gibt er den Rat, sich von den Medien nicht manipulieren zu lassen und Meinungen kritisch zu hinterfragen.

Mahmoud Jabari hat mich mit seiner differenzierten Art tief beeindruckt. Ich glaube, die palästinensische Gesellschaft braucht junge Leute, die Verantwortung übernehmen und eine klare Vision verfolgen. Mahmoud lässt in mir und in seinen Mitmenschen die Hoffnung aufkommen, dass sich das Schicksal der Palästinenser vielleicht eines Tages zum Besseren wendet. Gut zu wissen, dass Mahmoud nach seinem Studium in Palästina bleiben will und nicht wie viele andere nur noch die Möglichkeit sieht, sein Glück an einem anderen Ort auf der Welt zu suchen. Ich drücke ihm für seine Zukunft als Journalist und Fotograf ganz fest die Daumen. Und wer weiss – vielleicht hören wir in den folgenden Jahren den Namen Mahmoud Jabari noch ganz oft.


(im Friz 03/08 erschienen)

2 Kommentare:

Mahmoud Jabari hat gesagt…

I am the person featured in this article. (Mahmoud Jabari). I am making a formal request that this article is removed. There was no way for me to contact the author or owner of the blog. Thank you.

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